Hilfe für Opfer von Gewalt - Hinweise für die Praxis

Der Arzt oder Zahnarzt sollte sich als Teil eines Netzwerkes sehen, das Opfern helfen will. Er übernimmt sich, wenn er das Problem des Patienten lösen will; er tut seine ärztliche und „bürgerliche“ Pflicht, wenn er den Patienten medizinisch versorgt, Beweise sichert, ihm das Gefühl von Verlassenheit und Hilflosigkeit nimmt und ihn für Wege aus dem Erduldenskreislauf stärkt.

OA Dr. Dankwart Stiller
Rechtsmedizinisches Institut der Universität Halle

Leider umfasst die körperliche Untersuchung bei Gewaltopfern in vielen Fällen nicht die Beurteilung von Verletzungen innerhalb des Mundes, obwohl ein hoher Prozentteil aller dokumentierten Fälle orofaziale und/oder intraorale Verletzungen nach sich zieht (Curt Goho 2010).

Gerade in der zahnärztlichen Praxis ist die Behandlung von Patienten, die von Gewalt oder - im Falle von Kindern und Jugendlichen - von Vernachlässigung betroffen sind, keine Seltenheit. Im Unterschied zu Verletzungen wie Prellungen und Verbrennungen heilen abgebrochene Zähne und Brüche im Kieferbereich nicht, wenn sie unbehandelt bleiben. Zahn- oder Kieferverletzungen werden in der Regel als gravierender wahrgenommen als Schwellungen und Hämatome, so dass das Aufsuchen einer Zahnarztpraxis – im zahnärztlichen Notdienst – auch in Fällen von Gewalt wahrscheinlich ist.

Wer den Betroffenen helfen möchte, sollte auf den Umgang mit ihnen vorbereitet sein. Als Zahnärztin oder als Zahnarzt haben Sie mitunter als Einzige/r die Möglichkeit, eine Misshandlungsfolge frühzeitig zu erkennen und dem Kind und den Begleitpersonen durch entsprechende Maßnahmen die nötige Hilfe zukommen zu lassen.

Wir möchten Ihnen im Folgenden mehr Hintergrundwissen zu den möglichen Vorgehensweisen vermitteln und Sie ermutigen, adäquate Hilfe gemeinsam mit den Betroffenen auf den Weg zu bringen.